Quelle: Kleiner Führer durch die Stadt Bad Münder
für Gäste und Einheimische
von Helmut Baars
Herausgeber: Heimatbund Niedersachsen, 1993


Auf den Spuren des Steinkohlenbergbaus im Süntel

Der Süntel führt zahlreiche Kohleschichten, in deren mittlerem Teil mächtige Sandsteinblöcke lagern. Die Kohle entstand aus den mächtigen Sumpfwäldern der Wealdenzeit vor 100 Millionen Jahren. Der Abbau dieses Bodenschatzes begann im 17. Jahrhundert, erlebte im 19. Jahrhundert und in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg seine Höhepunkte. Leider enthielt die Süntelkohle viele nicht brennbare Substanzen, vor allem Salz. Ihr Abbau stieß immer wieder auf mannigfaltige Schwierigkeiten. Die mangelnde Qualität ließ sie den Wettkampf mit der Ruhrkohle verlieren und führte 1953 zur Einstellung des Bergbaus Süntel.

Der Steinkohlenabbau rettete jedoch die ausgedehnten Wälder von Deister und Süntel vor weitergehender Vernichtung, da die damaligen Gewerbebetriebe, wie die Salinen und Glashütten, immense Mengen Holz verbrauchten. Je länger sie arbeiteten, desto weiter dehnten sich die Kahlschläge aus. Weil die Steinkohle einen erheblich höheren Energiegehalt als Holz aufwies, zog man diese als Wärmequelle vor. Nach und nach ergriff der Wald wieder Besitz von den Kahlflächen, und es blieb dieser Gegend das Schicksal der Umgebung von Lüneburg erspart.

Die aus der mittleren Wealdenzeit stammenden mächtigen Sandsteinblöcke bauten die Münderander in den großen Steinbrüchen bei der Jahnhütte und der Eulenflucht ab. Noch heute kann man die in den Berg geschlagenen Wunden erkennen, auch wenn sie schon teilweise zugewachsen sind. Die Relikte des Steinkohlenbergbaus sind dagegen erheblich schwieriger zu entdecken. Wir finden nur noch an wenigen Stellen versunkene Schacht- und Stollenreste, überwachsene Abraumhalden und kaum noch auszumachende Bahntrassen und Kunstgräben.

Wollen wir nach den Spuren des Steinkohlenbergbaus suchen, nehmen wir das heutige Ausflugslokal "Bergschmiede" als Ausgangspunkt für unsere etwa 4 km lange Wanderung. Wie der Name schon andeutet, wurde die Bergschmiede als Werkstatt für die in der Nähe befindlichen Bergwerke 1834 errichtet. 1856 entstand der heute noch vorhandene Stall für die Göpelpferde, die, immer im Kreis herumlaufend, Abraum oder Kohle aus der Tiefe fördern mussten. Zu ihnen gesellten sich Leidensgenossen, die in dunkler Nacht Loren vom Mundloch vor Ort und zurück zogen. Folgen wir dem Ludwig-Hagemann-Weg, und biegen in den Wasserradsweg ein, treffen wir auf die Binge des Neues Wasserradschachts. Binge nennt man den eingefallenen und teilweise mit Abraum gefüllten Rest des Schachtes. Zu dieser Binde führt ein Kunstgraben, der einem Wasserrad das Wasser aus einem entfernten Bach zuleitete. Etwa 250 m weiter entdeckten wir die Reste des "Alten Wasserradschachts". Nach nur 500 m erreicht man die Binge des Löwenschachts, der einst ein besonders ergiebiges Flöz erschloss. Ein von Gottfried Kastl gestiftetes, aus Süntelsandstein gefertigtes Denkmal, erinnert an den versunkenen Schacht.



Von hier sollten wir dem Zickzackweg folgen - auf der Karte an seinen scharfen Kehren deutlich erkennbar - und zum Georgsstollen wandern. Damit benutzen wir eine von der Münderschen Reihebürgerschaft, der Eigentümerin des Waldes und der Bergrechte, zur Abfuhr der Kohle angelegte Straße. Sie entstand, weil die Flegesser den Abtransport des "Schwarzen Goldes" über ihr Gemeindegebiet nicht duldeten. Obwohl die Strecke länger war, gelangte die Kohle auf diesem Wege nach Münder, um dort in Glashütte und Saline gefeuert zu werden. Außerhalb der zweiten Kehre dieses Weges sieht man den "Pottkuhlenschacht" liegen.

Der Georgsstollen beginnt mit einem langen Einschnitt, an dessen Ende sich sein altes Mundloch befindet. Es ist mit Sandsteinquadern gerahmt. Durch seine Öffnung förderten die Bergleute im Laufe vieler Jahre neben der Kohle rd. 60.000 cbm Abraum und türmten ihn zu einer großen Halde auf. Der Stollen führte von seinem Mundloch im Steinbachtal bis zur Stadtgrenze auf den "Hohen Süntel". Er erreichte unter dessen Kamm eine Tiefe von 230 m. Am Steinachtalsweg fallen uns am Wegesrand etwa 8 bis 10 m hohe, nicht zur Landschaft passende, Hügel auf. Es sind die dort abgekippten Schuttmengen aus dem Georgsstollen, die inzwischen längst von der Vegetation überwuchert sind. Heute benutzt der Schützenverein Klein Süntel von 1952 die Reste der alten Bergwerksanlagen für seine Zwecke. Der ehemalige Lokomotivschuppen dient als Schützenhaus, der lange Einschnitt vor dem Stollen als Schießbahn und Mundloch als Ziel. Folgen wir dem Steinbachtalsweg, treffen wir zur Linken erst auf den "Rischfleckenschacht" und danach den "Neuen Schacht".


Grafik: Tina Schaper


Zwischen der Bergschmiede und dem Winterbach stoßen wir auf die Reste dreier ehemaliger Kunstgräben, sie führten Wasser fern gelegener Bäche in die Nähe der Schächte, um dort Wasserräder zu treiben. Die Bergleute mussten stets mit den Wassermengen des Süntels kämpfen. Ihre Anlagen drohten oft zu ertrinken und bereits im vorigen Jahrhundert setzte man Dampfmaschinen zur Entwässerung der Stollen ein. Trocknen im Sommer einige Bergbäche aus, muss es nicht unbedingt am mangelnden Regen liegen, sondern auch daran, dass viel Wasser in die alten Stollen sickert. Auf dem Ludwig-Hagemann-Weg geht es zurück zur Bergschmiede. Rechts im Wald liegen der "Pritschenschacht" und der "Obere Bergschacht". Dreimal kreuzt der "Untere Kunstgraben" den Weg. Man erkennt ihn auf der linken Seite als lange Mulde und auf der rechten als grasbewachsenen Streifen. Westlich der Bergschmiede sind die Reste der Schächte Berta und Christiana zu finden, die einst eine 568 m lange Transportbahn verband, deren Trasse heute noch erkennbar ist.



Unterhalb der Bergschmiede macht die Straße einen scharfen Bogen, in dessen Scheitel zwei Fußwege abzweigen, von denen einer nach Hamelspringe führt. Nach 120 m erkennt man das Rave-Denkmal. Es wurde zum Gedenken an den bedeutendsten Bergmann des Steinkohlenbergbaus im Süntel auf Initiative von Gottfried Kastl errichtet. Christian Rave, geboren am 2. September 1770, gestorben am 11.10.1856, stand anfänglich in staatlichen Diensten und widersetzte sich zunächst vehement den Bergbauplänen der Stadt Münder. Nach längerem Streit einigte man sich, und Rave übernahm auch die Leitung der münderschen Bergwerke. Unter seiner Führung erlebte die Kohleförderung zwischen 1806 und 1865, also noch über seinen Tod hinaus, einen ungeahnten Aufschwung. Die Bergwerke belieferten nicht nur die Salinen, die Glashütte und die Ziegelei in Münder, sondern auch Hamelner Industriebetriebe und Kundschaft in Braunschweigischen und Lippischen Landen. Die alte Ziegelei, der städtische Ziegelhof, ist heute nicht mehr in Betrieb, die Gebäude stehen am Waldrand des Süntels und dienen Wohnzwecken.



Geht man von Bad Münder kommend auf dem Heuerweg in Richtung Klein Süntel, trifft man auf die Reste des Betstubenschachtes, in dessen Nähe der "Alte Münder Stollen" lag. Östlich davon, mitten im Wald, befinden sich die Reste des "Wasserstollens". Eine Portalruine erinnert an die einstige Größe dieses Stollens. Einige eiserne Aussteifbinder ragen noch aus dem eingebrochenen Stollen heraus. Diese sind sonst im Bergbau, der überwiegend Holz zum Ausbau verwendet, nicht üblich. Da die Peiner Hütte von 1914 bis 1926 hier Kohle förderte, benutze man auch die dort hergestellten "Peiner Breitflanschträger".


Wasserstollen 2012


Wer noch etwas Zeit hat, kann zurück zum Wasserradsweg gehen. An ihm enden zwei der zuvor erwähnten Kunstgräben. Der südliche, der "Obere Kunstgraben" gehört zum "Alten Wasserradschacht", der weiter nordwestlich gelegene "Untere Kunstgraben" zum "Neuen Wasserradschacht". Beide Wege enden schließlich in Klein Süntel.

Einige Zahlen zum Süntelbergbau:



Von 1895 bis 1913 ruhte der Bergbau.

Von 1945 bis 1953 lebte der Kohlebergbau noch einmal auf. 1946 förderte die Süntel GmbH 90 t pro Tag. Dann machte die Konkurrenz der Ruhrkohle den Bergbau Süntel unwirtschaftlich. Damit ging ein bedeutendes Kapitel der münderschen Industriegeschichte zu Ende.

Quellen:
Gottfried Kastl "Tür und Tor in Bad Münder, Teil II" in "Der Söltjer" 1987, S. 15 - 26.
Günther Gebhart "Der Süntelbergbau im 20. Jahrhundert" in "Der Söltjer" 1990, S. 37 - 44.
Günther Gebhart "Der mündersche Bergbau im 19. Jahrhundert" in "Der Söltjer" 1992, S. 15 - 23.
Dr. Gerd Kastendiek "Neuere Denkmale unserer Heimat (Teil 1)" in "Der Söltjer" 1989, S. 5 - 9.
Angelika und Gerd Schwager "Eine Exkursion Million Jahre zurück in die Vergangenheit" in "Der Söltjer" 1992, S. 59 - 62.
Vielen Dank für das Material an Dr. Gert Hahne!
Fotos: j.schaper


Das Denkmal am Löwenschacht ist etwas aufgefrischt worden!
Foto: T. Grahl 2010