Der Hohenstein und Wasserfall bey Langenfeld

Von Horstig.

(Aus dem Westfälischen Taschenbuch für das Jahr 1801.)

An der Grenze von Westphalen finden wir einen der Hauptflüsse von Deutschland, die Weser, an deren Ufern sich die Hauptstämme der uralten Deutschen ausbreiteten, die den Römer einst so furchtbar wurden und deren Nachkommen sich zu einem mächtigen Volke erhoben, welches in der Kulturgeschichte von Europa eine sehr bedeutende Rolle spielte. Hier an der Weser leben noch die unsterblichen Namen eines Hermann und eines Wittekind in den unzerstörbaren Denkmählern der Natur, die ihr Andenken der späteren Nachkommenschaft aufbewahren. Unter den Lippischen Bergen erhebt sich die Arminsburg ohnweit Pyrmont; und hier an unsferlangen Bergkette, die von der Weser gespalten wird, ragt der stolze Pfeiler der Westphälischen Pforte, der Wittekindsberg, majestätisch über die andern Berggipfel hervor, und beschaut mit unverwandten Blicken das große Schauspiel der Natur, den Strom der Weser, der die Berge von einander riß, um sich einen freyen Ausgang in den Ozean zu öffnen. Diese in der Geschichte der Völker so merkwürdige Gegend, die durch die großen Niederlagen der Römer und Franken noch berühmter geworden ist, zeichnet sich nicht weniger durch die vielen Merkwürdigkeiten der Natur vor allen andern Gegenden in Deutschland aus. Von diesen Merkwürdigkeiten, die ohnstreitig bekannter zu seyn verdienen, heben wir diesesmal nur zwey vor allen andern aus, den Wasserfall bey Langenfeld und den Hohenstein. Beide überraschen durch die große Wirkung, die ihr Anblick hervorbringt; beyde verdienten von jedem Freunde der Natur besucht zu werden, den der Zufall in unsere Nähe bringt.

Der Hohenstein

Eine Stunde nordwärts von Hessen Oldendorf zwischen Hameln und Rinteln, in der Grafschaft Schaumburg, Hessischen Antheils gelegen, bietet schon in der Ferne, sobald er hinter den vorliegenden Bergen sichtbar wird, durch seine hohe Felsenstirn, die einem Basaltgebirge gleicht, dem Vorbeyreisenden ein bewundernswürdiges Schauspiel dar; besonders, wenn die Abendsonne die nackte Felsenmasse, die über den tiefschattierten Waldungen umherliegender Berge hervorragt, mit röthlichen Schimmer überglüht. Die Natur hat den Hohenstein ein wenig hinter die lange Bergkette zurückgezogen, die den Alten schon unter dem Namen des Süntels bekannt war, und gegen Morgen sich an den Deister lehnt, gegen Abend weit über der Weser hinaus im Osnabrückischen sich verliehrt. Bey der Schaumburg zerfällt diese hohe Gebirgskette in mehrere einzelne Berge von wunderbaren Gestalten und Formen, die sich mit ihren dem Mittag zugekehrten Gesichtern bald der Weser nähern, bald tiefer in die mitternächtlichen Waldungen sich zurückziehen. Unter diesen letztern findet man den Hohenstein.

Von Hessen Oldendorf aus führt uns ein gemächlicher Weg, rechts bey dem Kirchdorfe Segelhorst vorbey bis an den Fuß des Mittelberges, der so wie die übrigen Berge von grünen Buchenwäldern beschattet wird. Waldiger Hügel zur Rechten verdecken uns den Hohenstein. Aber vor ihnen entfaltet sich, indem wir immer höher am Rande des Berges hinaufsteigen, eine mahlerische Tiefe, die von einem stolzen Amphitheater über einander geworfener Berge deren Absenkungen in einander fließen, geschlossen wird. Auf einmal erhebt sich über die Wipfel der vorstehenden Bäume der runde Scheitel des Hohensteins. Hier bin ich ! nickt er uns freundlich entgegen und mit Erstaunen haftet unser Auge an den aufgethürmten Felsenblöcken, die sich senkrecht an einander reihen und mit ihrer festen Stellung der Ewigkeit trotzen. Von der Höhe herab rufen wir ins Thal, dass der gefällige Förster unsere Ankunft vernehme, um uns zur hohen Zinne des Tempels der Natur zu führen und uns mit kundigem Schritte zu jeder Stelle zu leiten, die uns ein neues Wunder entdecken soll. Der dumpfe Ton eines Sprachrohrs giebt uns aus der Tiefe herauf die errufene Antwort zurück. Unsre Schritte verdoppeln sich. Der Weg senkt sich wieder in die Wälder hinein, bis er am Ende aus den Laubgewölben der Buchen hervortritt und uns den ersten freyen Anblick des ganzen Hohensteins verstattet, wie er aus einem romantischen Thale, von einem Flüsschen gebildet, welches sich im seinen Fuß herum schlingt, mit einer waldigen steilen Anlehne hoch in die Lüfte hinaufsteigt und dem Wandrer Bedenken erregt, ob eine solche Höhe zu erklimmen sey. Eine Verkürzung des Weges führt uns noch einmal durch ein niedres, dicht verwachsenes Gehölz. Aber nun stehen wir auch am Ufer des klaren Baches und überblicken die ganze Länge der kleinen lieblichen Thalenge unter dem Hohenstein, welche sich mit dem rieselnden Gewässer in tiefen Waldungen verliehrt. Hier unter der grünen Buche, die ihre mosigten Wurzeln zu weichen Sitzen gepolstert hat, hier unter dem erquickenden Schatten müssen wir uns lagern, hier müssen wir noch einmal mit Erquickungen uns stärken, ehe wir den letzten, schwersten Theil der Wanderschaft beginnen. Hier wollten wir singen: Es giebt der Plätzchen überall - aber nein! solcher Plätzchen giebt es fürwahr nur wenige auf der Welt. Das Zeichen zum Aufbruche wird gegeben.

Eine bey weiten nicht so steile Berglehne, wie sie beym ersten Anblicke zu seyn scheint, wird allmählig auf einem Wege erstiegen, der sich an der linken Seite des Hohensteins durch die dunkeln Schatten der Bäume hinaufzieht, und dem man nöthigen Falls auch wohl mit einem Wagen folgen könnte. Hat man die Hälfte des Berges erstiegen, so öfnet sich hier und da ein freyer Ausblick in den waldigen Berggrund zur Linken, der durch seine steilen Seitenwände und seine romantische Krümmungen; die der kleine Bach verfolgt, einem malerischen Auge viel schöne Ausbeute verspricht. Bald nähern wir uns den großen Felsenmassen, die uns zur Rechten liegen blieben. Nur eine Seitenlehne der hohen Riesen, von noch höhern Bäumen überschattet, begleitet uns am Ende des steilen Weges bis auf die Höhe des Waldes, worin wir unsern Weg verlassen, um mit einer schnellern Wendung zur Rechten mitten durch die Farrenkräuter hindurch, bis auf den freyen Standpunkt der höchsten Spitze zu gelangen. Die Bäume verdünnen sich. Der reine Himmel blickt durch die letzten Zweige - nur noch ein Paar Schritte, und wie versteinert stehen wir vor einem Abgrunde, den man sich nicht furchtbar schöner denken kann. Mitten in einer schaurigen Wildniß, zu beyden Seiten von waldigen Gebirgen eingeschlossen, die sich über einander thürmen, - vor uns ein freyer Blick über die Weser hinüber bis ans gegenseitige Ufer, welches mit einer neuen Kette von Gebirgen den fernen Horizont begrenzt, - unter unsern Füßen die Wälder der Vorgründe, die sich immer tiefer und tiefer vor uns versenken, je mehr wir mit unsern Blicken senkrecht hinab schauen - - erschütternder kann nicht leicht ein Eindruck seyn, als der, den dieser unerwartete Anblick hervorbringt. Auf manchen der benachbarten hohen Berge kann man eine ungleich schönere und weitere Aussicht gewinnen; aber nirgends wird man sich von einem solchen Gefühle ergriffen finden als hier, wo man so auf einmal in die Luft gehoben, über einem Abgrunde schwebt, der unsern Blick unwiderstehlich anzieht und furchtbar zurückschlägt.

Schüchtern wagt sich der Fuß bis auf die letzte Spitze der hervorragenden Felsen, deren fein bemooste Stirn einen bequemen und sichern Ruhesitz darbietet. Das Auge staunt zu beyden Seiten an den ungeheuren Felsblöcken herunter, die sich in die Waldungen herabsenken und uns ein treues Bild von der Unterlage geben, worauf wir uns gelagert haben. Unsre Einbildungskraft - denkt sich die Möglichkeit, dass eine Erderschütterung die stolze Felsenburg herabwürfe, und das Bild der Vernichtung durchschauert jede Nerve. Allmählich gewöhnt sich das Auge, so wie der Geist, an diesen furchtbaren Anblick. Die Seele verliehrt sich in Betrachtungen, die nur ein solches Schauspiel erwecken kann. Sie fühlt sich erhabner als die Gebirge und unvergänglicher als die Felsen, und kehrt voll Bewunderung über sich selbst von diesem Anschaun zurück. Mit einer Heiterkeit, die das Einathmen ätherischer Lüfte unausbleiblich mit sich führt, verlassen wir unsern ersten Standpunkt, um den ganzen Saum der Oberfläche dieses Felsenberges zu durchwandeln.

Wir ziehen uns in den Wald zurück, ohne die Seite zu verlassen, von der wir immer eine freye Aussicht behalten. Wenig Schritte nur gehen wir am gezackten Ufer dieser Felsenwände hin, so stoßen wir schon auf tiefe Felsenspalten, die wir durch einen langen Rückweg umgehen müssen. Diese Spalten erweitern sich allmählich, und bilden tiefe, schauerliche Einschnitte, die vom Wirbel des Hohensteins bis an die Wurzel der Felsen herablaufen. Wer von uns wagt es, sich in diese Einschnitte zu senken, die von beyden Seiten mit senkrechten Felsenwänden eingefasst sind. Einige der Spalten sind nicht so abschüssig, daß man den Versuch für unmöglich halten könnte. Zwar erregt uns das unsichere Laub, womit sie verschüttet sind, Bedenken. Wer rettet uns, wenn wir in diesen trüglichen Klüften versinken. Doch unsrer sind viele, und Vorsicht vermindert die Gefahr.

Wir steigen muthig hinab. Ein Fieberfrost ergreift uns in diesen eiskalten Klüften. Je tiefer wir herabsteigen, desto schlüpfriger wird der Pfad über die zerbröckelten Steine, die unter dem Laube verwittern. Der Blick durch diese steilen schwarzen Seitenwände bis an den schmalen Strich vom lichten Horizont, der durch die letzte Oeffnung sichtbar wird, macht einen Kontrast, der einzig in seiner Art ist. Wenn diese Wände sich zusammenneigten, wenn nur ein Felsblock hinter uns herabstürzte und uns den Rückweg versperrte, so wären wir lebendig in diesen Katakomben begraben; denn vor uns senkt sich der schmale Boden der Kluft so steil herab, daß wir die Gipfel der Bäume eher als ihre Wurzeln erreichen würden, wenn wir noch einen Schritt weiter vorwärts thun wollten. Wären die Wände nicht so feucht, so könnten wir uns noch einmal hier an diese Ecke lehnen, um das Gemählde dieser furchtbaren Perspektive der Seele tiefer einzudrücken, wofern es denkbar wäre, daß sich ein solcher Eindruck je verliehren könnte. Wem die Glut der Leidenschaft verzehrt, der werfe sich in diese Eisgruben, und wird sein Blut da noch nicht abgekühlt, so giebt es kein Mittel mehr zu seiner Rettung. Wir klimmen wieder hinauf. Ungleich mühsamer und gefährlicher dünkt uns der Weg beym Aufsteigen zu seyn. Einer reicht dem andern die Hand, uns so gelangen wir wohlbehalten wieder an den obersten Ausgang der Spalte, wo wir unsre Gefährten verlassen haben. Je mehr wir uns der Abendseite nähern, desto mehr erweitern sich die Klüfte. Ihre Einschnitte bilden die säulenförmigen Gestalten der senkrechten Felsen, die dem Wanderer am Fuße des Hohensteins wie hohe Thürme von oben herabnicken.

Auch der letzte dieser Thürme an der Westseite wird von uns bestiegen. Er gewährt uns eine erweiterte Ausicht in das seitwärts liegende Thal, dessen erste Bekanntschaft wir schon beym Aufsteigen auf die Berghöhe machten. Viele malerische Ansichten neuer Gebirgsmassen entfalten sich hier, und uns zur Linken erblicken wir noch einmal die steilen Felswände, die von den benachbarten Pfeilern des Hohensteins getragen werden, in ihrer ganzen Majestät. Wir horchen auf die Erzählungen des Jägers, wie ein armer müde gejagter Hirsch von diesen Felsen sich herabstürzte und mit dem zackichten Geweihe an den Aesten der Bäume sich aufhieng; und schwindelnd eilen wir von dieser letzten Höhe durch die losen Gestäuche des unfruchtbaren Steins in den Schatten der hohen Wälder zurück.

Verfolgen wir den schmalen Fußsteig, der uns zurück führt auf der Abendseite des Hohensteins, so gelangen wir zu einer geräumigen Felsenkluft, die den Namen Münchhausenshöhle führt. Einer aus dem zahlreichen Geschlechte der Herren von Münchhausen, so erzählt die Sage, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu Hessen Oldendorf hatte, verweilte oft im Sommer Wochen und Monate lang auf den Gipfel des Hohensteins. Hier in dieser Felsenkluft, die ein geräumiges Zimmer bildet und deren überragende Steinbänke ein nothdürftiges Obdach gegen die Witterung darbieten, schlug er seine Bergwohnung auf. Hier an diesem schwarzen Steine sagt man, war sein Heerd und hier in dieser Nebenhöhle standen seine Pferde. Hier vergaß der Ehremit vom Hohenstein Welt und Menschen. Seine für die Einsamkeit gestimmte Seele gefiel sich nur in diesen dunklen Behausungen und die Abgeschiedenheit nährte seinen Hang zum Sonderbaren, worin es ihm keiner seiner Zeitgenossen zuvorthat. Hier an dieser Seite des Hohensteins finden wir noch die stärksten Spuren von Zerklüftung der festen Gebirgsmasse. Ungeheure Steinklumpen, schon seit Jahrtausenden vielleicht mit Moos bewachsen, welches die Wurzeln hoher Bäume bedeckt, liegen hier wild durch einander geworfen. Einige von ihnen schweben furchtbar über der Tiefe unter dem steilen Abhange des Berges. Andre haben sich herabgestürzt und weiter unten eine neue Anhöhe gebildet. Eideren von seltener Schönheit schlüpfen durch die Ritze der zertrümmerten Felsen.

Wir verlassen diese schauerliche Wildniß, um wieder jene Höhe zur gewinnen, wo sich für uns die erste Aussicht vom Berge eröffnete. Hier unter dem dämmernden Schatten der hohen Buchen haben uns geschäftige Hände eine bequemen Ruhesitz bereitet. Ein länglich vertieftes Viereck, in dessen Mitte sich ein Altar von Steinen erhebt, der uns zur Mittagstafel dienen soll, ist ringsumher von Bänken eingefasst, die mit Steinen befestigt und mit kühlendem Moose ausgepolstert sind. Eine Flamme lodert seitwärts unter den Baumstämmen empor, von dürren Reisern unterhalten. Wir besuchen indeß den sinngrünen Altar - ein vielversprechender Name, den der letzte Gebirgspfeiler gen Osten von seiner Form und seiner Bekleidung erhielt. Nicht ohne Mühe erklimmen wir den Gipfel des Steins, der seine Trennung vom Gebirge kaum erwarten kann. Er bietet uns die umfassendste Aussicht gegen Morgen ins wilde Gebirge dar. Dicht an demselben gleitet das Auge in die öde Bergschlucht hinunter, die sich mit dem Thale des Baches am Fuße des Hohensteins vereinigt. Wir kehren zu der Gesellschaft zurück. Ein vergnügtes Mahl, durch frohe Lieder gewürzt, empfängt uns an der oben beschriebenen Tafel. Reine Lüfte und heilbringende Bewegung haben unsere Eßlust vermehrt. Wir fühlen uns gestärkt, und dankbar froh verlassen wir die Höhe, von der wir noch manchen staunenden Blick in die um uns her versenkte Unterwelt herabwerfen.

Hohes Wunder der Natur, majestätischer Hohenstein! welche Macht hat dich gebildet? Welche Krise der Schöpfung riß dich von den umherliegenden Bergen los; oder sprengte dich aus der Tiefe mit vulkanischer Gewalt herauf? Wer zerspaltete dir die hohe Felsenstirn und zerklüftete deinen steinernen Rücken? Wer behaarte deinen grauen Schädel mit hundertjährigen Buchen und bekleidete deine nackten Schläfen mit feingewebten Moose? Wer zog dir den ehernen Panzer an, Hohn zu sprechen allen Stürmen der Witterung? Wer stellte dich ins Gleichgewicht, unbeweglich auf deiner Kraft zu ruhn und Jahrhunderte wie Stunden bey dir vorübergehen zu lassen? Manches Geschlecht wird kommen und gehen, aber du wirst unverändert bleiben. Unsere Asche wird die Luft verwehen, aber dich, dich wird die späteste Nachwelt noch in derselben Jugendstärke sehen, worin dich Hermann und seine Zeitgenossen schon vor Jahrtausenden erblickten. Wenn aber auch deine Stunden einst abgelaufen seyn werden, wenn vor dir Städte und Dörfer, die du mit ewig ruhigem Antlitz betrachtest, längst unter ihrem Schutt begraben seyn werden, wenn dein müdes Haupt zuletzt ins Thal herabsinkt und die niedern Waldungen mit seinen Trümmern bedeckt, wenn der Bach, der dich umschlängelt, einen andern Weg sich ausbahnt, und kein Wanderer mehr die stolze Burg von ferne schaut - wer denkt da noch an den Sänger, der deinen Gipfel erstieg, um dem großen Denkmahle der Natur ein kleines Denkmahl seiner Bewunderung zu errichten.

Der Wasserfall bey Langenfeld

Der Besuch des Hohensteins spannt die Neugierde des Naturfreundes, der sich nur einigermaßen auf Physiognomie der Gegenden versteht, unwiderstehlich zu Versuchen, die auch dann nicht unbelohnt bleiben würden, wenn die Kunde der Jäger und Förster uns keine weitere Auskunft über die wahrscheinliche Ausbeute neuer Nachforschungen geben könnte. Noch vor wenig Jahren war der Wasserfall bey Langenfeld, so bekannt er auch den Menschen war, die ihn täglich rauschen hörten, eine völlig unbekannte und unentdeckte Schönheit der Natur. Wer hätte auch in einer solchen Nähe, mitten in einem bevölkerten Lande, einen Wasserfall vermuthen sollen, dessen Anblick in Erstaunen setzen muß. Eine kleine Stunde vom Hohenstein, die wir aber bey unserm ersten Besuche des Wasserfalls durch einen Umweg über das Dachtelfeld um etliche Stunden uns verlängerten, gelangt man durch die Wälder an ein kleines Dörfchen, Langenfeld genannt, welches an der nördlichen Grenze der Grafschaft Schaumburg, Hessischen Antheils, unweit des Kirchdorfs Hattendorf gelegen ist. Man verwundert sich, vom Gipfel des Hohensteins in einer grade fortlaufenden Höhe, die man für eine ebene Fläche halten könnte, ohne Absteigen bis an diesen Ort zu gelangen, an dessen letzten Ende in einer allmählig sich vertiefenden Schlucht, die von einem unbedeutenden Flüsschen gebildet wird, eine kleine Mühle sich verbirgt, die das ganze Wasserbehälter zu unserer Kaskade in einem kleinen Weyher umschließt, der unsrer großen Naturscene zu einen wenigversprechenden Vorgrunde dient. Ein schmaler Fußsteig führt uns um die Mühle herum. Auf einmal erblicken wir vor uns einen jähen Absturz. Die Schlucht versenkt sich vor unsern Augen in die tiefsten Wälder und das Wasser, welches von der Mühle abfließt, stürzt über den jähen Abhang, der uns Schwindel erregt, und verliehrt sich vor unsern Augen, in eine Tiefe deren Grund wir nicht entdecken können. Wir steigen seitwärts in die finstre Schlucht hinein. Durch einen gekrümmten Fußsteig gelangen wir bis an den untersten Boden des Beckens, der das Wasser auffängt.