Die Radaranlage wächst zu!


Bild von der Plattform (06/21)

Wenn es nicht die Asphalt-Straßen, den Turm und die Teiche gäbe, dann wäre von der Radaranlage kaum noch etwas zu sehen. Hier wächst alles zu. Die Treppen auf die Plattform sind nicht mehr begehbar.

Ehemalige US-Basis auf dem Süntel wurde dem Erdboden gleichgemacht

Begonnen hatte alles im Jahre 1964, als auf dem Höhepunkt des kalten Krieges die holländische Luftwaffe Flugabwehr-Raketen auf der Hohen Egge in Stellung brachte. 1975 löste die US-Armee die Holländer ab und zog mit einer mobilen Nachrichtentruppe ein. Ein Horchposten entstand. 1991 sagten auch die GIs 'good bye'. Die Förster wollen das Gelände jetzt wieder aufforsten - zumindest dort, wo Beton und Asphalt der Natur gewichen sind. Stehenbleiben wird allerdings der alles überrragende Radarturm, der einen friedlichen Nachnutzer gefunden hat: Die Firma Mannesmann will mit ihm einen weißen Fleck im D2-Telefonnetz tilgen. Von den 18 Gebäuden ist dagegen schon lange nichts mehr zu sehen: Nur aufgewühltes Erdreich erinnert noch an die Zeit, als die Hügelketten im Weserbergland in erster Linie für Miltitär-Strategen interessant waren.





Auf Spurensuche im Süntel - Historiker forscht im Sperrgebiet

Dewezet, den 7.7.99
Der Süntel birgt noch Geheimnisse. Nur wenige Kilometer von Bad Münder entfernt, einige Minuten abseits der Wanderstrecken, befindet sich ein Gelände, das bis vor einigen Jahren den meisten Einheimichen noch so unbekannt war wie die erdabgewandte Seite des Mondes. Mannshoch-messerscharfer Stacheldraht schirmte ein Areal von doppelter Fußballfeldgröße von der Außenwelt ab, in Gruben kauerten stahlhelmgeschützte Gestalten. Mehrere Dutzend an hölzernen Telegraphenstangen befestigte Stangen leuchteten das Gelände aus. Auf einem Hügel rotierten langsam himmelwärts geneigte Schüsseln. Dunkel hoben sich Nissen-Hütten, eine KFZ-Halle, Trafo-Station und Tankstelle als Schattenrisse vorm blauen Himmel ab. Davon ist heute nichts mehr zu sehen - die in der Gemarkung Bad Münder auf der Höhe zwischen Bakede und Welliehausen im Süntel gelegene Nato-Station wurde vor 10 Jahren aufgelöst. Sämtliche Gebäude, Geräte und Stellungen wurden zuvor demontiert. Und mit dem Abzug des Militärs, zunächst Holländer, dann Amerikaner, war der Weg frei für die Erkundung des bis dahin Top-Secret-Terrains. Gibt es vielleicht noch Hinterlassenschaften? Was ist dran an den kursierenden Gerüchten von einer riesigen unterirdischen Anlage und einem weit verzweigten Gängesystem? Und: Welche Aufgabe hatte die Station überhaupt, ist doch darüber kaum etwas detailliertes bekannt. Die Reihebürgschaft erwarb das Gelände für über 50000 Mark von der Bundesvermögensverwaltung zurück - und bis auf ein heute noch eingezäuntes Areal ist das Gelände der ehemaligen Station jedem zugänglich und über eine Asphaltstraße, die von der Gaststätte 'Eulenflucht' abzweigt, erreichbar.

Der Münderaner Lutz Wernicke hat sich des weißen Flecks auf der münderschen Landkarte angenommen, ist der ehemaligen Nato-Station im wahren Sinne des Wortes auf den Grund gegangen. 'Ich habe mit Militär nichts am Hut, aber ich möchte Licht in die Geschichte dieser Anlage bringen, Fakt von Fiktion trennen', so Wernicke. Mit detektivischer Akribie ging Wernicke gemeinsam mit einem Bekannten ans Werk, recherchierte in Zeitungsarchiven, las sich in Wehrbereichsbibliotheken über Waffensysteme schlau, nahm Einsicht in - nicht der geheimhaltung unterliegenden - Karten des Staatshochbauamtes Hameln, befragte Zeit-Zeugen und fertigte selbst Skizzen an. Das Ergebnis: Eine Dokumentation mit Fotos und Plänen. Die erste Auflage, in einer Buchhandlung der Kurstadt angeboten, ging weg wie warme Semmeln.

Die Spurensuche begann 467 Meter über dem Meeresspiegel - denn die 1963/64 errichtete Militärbasis liegt auf der höchsten Erhebung des Süntels. Das hatte seine Grund. Wernicke deutet auf einen Hügel im Nordwesten des Geländes. Eine schmale, fast zugewucherte Steintreppe führt auf die Erhebung. 'Dort oben standen zwei mobile Rundsuch-Radare, die den Luftraum überwachten und mit einer Feuerleitzentrale verbunden waren.' Wäre ein feindliches Flugobjekt geortet worden, dann hätte der Kommandant der 'Königlich Niederländischen Luftwaffe' den Befehl zum Abschuß gegeben. Wernicke dreht sich auf dem Absatz und zeigt auf Asphaltband: 'Dort stand eine der drei 'Hawk'-Stellungen, drehbare Bodenluftraketen, auf Lafetten befestigt - mit einer Reichweite von 35 Kilometern.'

Das sich hier Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen befanden, verweist der Heimatkundler ins Reich der Fabel. Mehr Hand und Fuß hat dagegen die Annahme einer unterirdischen Anlage. 'Zeugen wollen vom Süntelturm in den Boden eingelassene Klappen gesehen haben.' Kein Hirngespinst. Mit dem Fuß schiebt Wernicke Gras und Erde beiseite. Zum Vorschein kommt eine klobige Betonplatte. 'Eventuell ein Abzugsschacht.' Sämtliche Zugänge sind von den 1976 bis 1991 stationierten US-Soldaten, die auch den 30 Meter hohen Übertragungs-Turm bauten, aufgefüllt und dichtgemacht worden. Trotzdem: Wernicke hat eine weitere interessante Entdeckung gemacht: Eine 3 mal 3 Meter aufklappbare Luke, die später zugeschweißt worden ist. 'Da der Schacht in die Radarhügel führt, ist er vielleicht ein Zugang zur unterirdischgelegenen Feuerleitzentrale.' Wernicke will weiter forschen, in die Tiefe gehen. Und nicht mehr allein. Zwei Hobby-Historiker wollen ebenfalls die geheime Geschichte dieses Stützpunktes an Tageslicht zerren ....

Ehemalige Soldaten der Nato-Station haben eine eigene Internet-Seite betreiben: www.hogmania.com
Die Seite existiert aber nicht mehr!


Vielen Dank für das Foto an Larry Kriz!


Die beiden folgenden Links führen zu den Seiten 'Relikte in Niedersachsen und Bremen' von Manfred Tegge.

Relikte - FlaRak
Relikte - Atom



Kommentar von Rolf Hemmerling:
Ich bin in Bielefeld aufgewachsen und wurde Ende der 1970er Jahre von einem US-Amerikaner aufgeklärt, dass die nördlich von Bielefeld stationierten Luftabwehrraketen Hawk&Nike tatsächlich eine Atom-Option hatten. Sie wurden wohl erst in den 1980er Jahren abgezogen.
....
Richtig ist, dass JEDE Flugabwehrstation nicht nur automatisch ein "Primärziel" bei einem konventionellen Luftangriff ist, vielmehr musste davon ausgegangen werden, dass jede Flugabwehrstation als potentieller Atomsprengkopf-Standort Ziel eines primären "begrenzten" Atomschlags gewesen wäre.
....
Erst im Verteidigungsfall wären die Sprengköpfe von den US-Streitkräften zu den AA-Stellungen ausgeliefert worden, NICHT vorher. Es wird also niemals Atomsprengköpfe auf dem Gelände gegeben haben, nur halt die Möglichkeit, solche zu lagern und zu montieren.



Mail von Peter Wehrhahn
Als ehem. Hamelner interessiert mich der Süntel natürlich sehr. Ich möchte zu der Raketenstellung nur ein paar Anmerkungen machen. Ich habe während meiner 12-jährigen Dienstzeit bei der Luftwaffe (79-91) genau mit diesen Geräten zu tun gehabt.

1. Das dort eingesetzte System war niemals (weder bei der Bundesluftwaffe, noch bei den anderen Nutzern) Atomwaffenträger. Dazu ist diese winzige Rakete gar nicht in der Lage. Von den in Deutschland eingesetzten Systemen war nur das System NIKE HERKULES für einen Einsatz mit Atomsprenköpfen vorgesehen.

2. Die Sprengköpfe (Bereich ca. 2-30 Kilotonnen TNT) wurden bei den US-Custodials unter Verschluß gehalten. Die Köpfe waren aber in dem Teil der NIKE Stellungen, die diese auch einsetzen sollten, auch zu Friedenszeiten gelagert!!! Deshalb wurden diese etwas speziellen Stellungen mit einem erheblichen Mehraufwand abgesichert (Doppelzäune, große Wachttürme die 24h am Tag besetzt waren, extra Sicherungszug etc....

3. Die Atomsprengköpfe waren in den 50er Jahren gegen hoch fliegende oder besonders schnelle Flugzeuge oder große Bomberformationen vorgesehen. Dafür gab es auch einen Kopf mit größerer Sprengkraft. Mit der Zeit hat sich das aber gewandelt. Zu meiner Zeit - ich war in so einer atomar bestückten Batterie, wurden die Raketen, die sehr zielgenau waren (wegen der Radarsteuerung bis ins Ziel, Reichweite bis 150km) als Unterstützung für das Heer im Boden-Boden Einsatz geplant. Dies wurde auch bei jeder Einsatzübung trainiert. Quasi der Abschluß des Kriegsspiels. Meine Einheit lag in der Nähe von Diepholz. Mann kann sich denken, was mit den Dingern zerstört worden wäre. Gott sei Dank (oder wem auch sonst), ist der Spuk vorbei.

Gute Infos zu dem System gibt es unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Flugabwehrrakete
https://de.wikipedia.org/wiki/MIM-23_Hawk

Ich denke, da braucht sich niemand um Folgen von ev. Atomsprengköpfen auf dem Süntel Gedanken zu machen. Es gab in der Systemelektronik aber teilweise radioaktive Röhren, die recht schnell verbraucht waren. Wenn so etwas nicht ordnungsgem. entsorgt wurde, könnte man ein Problem haben.

Gruß aus Kiel

Peter Wehrhahn