Blutige Schlachten am Streitohr

Bürgerverein besucht geschichtsträchtigen Ort

Bakede (oe) Mehrere Mitglieder des Bakeder Bürgervereins machten sich vor wenigen Tagen auf den Weg zum Streitohr. Die merkwürdige Bezeichnung ist der Form dieses Ortes zu verdanken - und seiner blutigen Vergangenheit als viele Streitigkeiten noch mit roher Gewalt ausgetragen wurden. Als der letzte Graf von Schaumburg starb, fiel die Grafschaft 1640 an Hessen-Nassau. An beiden Seiten des Grenzweges, der vom Süntelturm zum Hohenstein führt, stehen die Hoheitssteine. Der Weg zwischen den Steinen ist neutraler Boden, daher der Name Grenzweg. An den Steinen sind auf der nach Norden gerichteten Seite die Inschrift Königreich Hannover und auf der nach Süden gerichteten Seite Kurfürstentum Hessen zu lesen. Als die Grenzsteine gesetzte waren, brach zwischen den Anliegern eine Meinungsverschiedenheit aus. Auf der einen Seite standen die Süntelgenossenschaft, auf der anderen Seite die Beberschen und Bakeder.

Wo dieses Besitzungen zusammenstoßen, ist auf dem Plateau eine größere ebene Fläche, eigentlich ein sehr schönes Fleckchen Erde. Jeder Waldbesitzer erhielt rechtmäßig seinen Teil. Die Einwohner der naheliegenden Dörfer sahen dies aber nicht ein, alle fühlten sich benachteiligt. Über viele Jahrzehnte dauerten die Fehden um Ansprüche und Besitzungen an. Es ging um die Aufteilung der Besitzungen der Grafen von Schaumburg an Beber, Bakede und an die Süntelgenossenschaft und die dadurch hervorgerufenen Streitigkeiten.

Friedliche Bauern wurden zu Feinden und viele Jahre, am Himmelfahrtstag oder Pfingsten, wurden die Konflikte offen ausgetragen und endeten fast immer in einer wüsten Schlägerei. Da dieser Ort der Auseinandersetzungen die Form eines Ohres hat, trägt er noch heute die Flurbezeichnung Streitohr.

Der Bürgerverein nahm nun in friedlicher Absicht dort ein von Horst Westphal gestiftetes Frühstück ein. Auf dem Rückweg wurden die neuen Baumpflanzungen am Erlebnispfad besichtigt. Zum Abschluss traf sich die Gruppe im Handwerkermuseum.

Journal Am Sonntag 21.06.2009




Mir liegt eine Karte vor, auf der an der Pfeilspitze der Streitort eingezeichnet ist. Auf Copyright-Gründen habe ich hier eine Karte von OPEN STREET MAP genommen.



Vielen Dank für die Karte an Wilfried Koch.



Die beiden unteren Bilder sind im Museum Bad Münder entstanden.



Der Streitort ist eine in Bakede und Umgebung noch bekannte Flurbezeichnung in der Bakeder Genossenschaftsforst (Abteilung 23 � oberhalb Wellergrund � äusserste Grenze). Eine Flurbezeichnung 'Streitohr' ist historisch nicht bekannt. Evtl. handelt es sich hier um einen Übertragungs- oder Schreibfehler. Sie rührt wohl eher aus einen subjektiven Betrachtung der Lage der Bakeder Forstabteilung 23 � abstehend wie ein Ohr ragt diese Abteilung ist die Forste Beber bzw. Staatsforst herein.

Gemäß Bakeder Dorfchronik von 1983 (von Gerd Bogorinsky) gab es bereits um 1570 Grenzstreitigkeiten zwischen den Landesherrschaften, der Grafschaft Schaumburg und dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg Streit um die Nutzung des Waldgebietes um den Hohenstein. 'Es kann angenommen werden, dass der Flurname Streitort - an der äussersten westlichen Grenze der Bakeder Forst � aus diesen Grenzstreitigkeiten herrührt' - Soweit Bogorinsky dazu. Wohl um 1848 wurden die Grenzen mit den heute noch sichtbaren Grenzsteinen festgelegt.
Vielen Dank für die Informationen an Frank Idensen!

Der Name der Flurbezeichnung ist eindeutig 'Streitort'.

Am 8.7. 1848 wurde ein Vertrag zur Teilung und Nutzung des Süntels zwischen den Gemeinden Münder und den Gemeinden Bakede - Böbber - Hamelspringe und 1/2 Egestorf geschlossen. In der dazu gehörigen Flurkarte wird der Name 'Streitort' ausgewiesen. Der Grenzverlauf zwischen den Holz- und Nutzungsgerechtsamen der Verhandlungsparteien wurde mit 51 Grenzsteinen markiert. Diese sind heute noch erhalten. Auf der einen Seite des Steines befinden sich die Buchstaben LuG für Loccum und Gemeinden (Kloster Loccum hatte ((und hat heute noch)) Patronatsrechte zu den Gemeinden Bakede-Böbber-Hamelspringe und 1 1/2 Egestorf). Auf der anderen Seit befinden sich die Buchstaben StM für Stadt Münder.

Zur Namensgebung des Waldgebietes kann weitgehend spekuliert werden: In der Tat gab es immer wieder Grenzstreitigkeiten zwischen den schaumburger und hannoverschen Besitzansprüchen im Süntel. Weiter zurückliegend können auch die Auseinandersetzungen während der Sachsenkriege Usprung sein. Die zähen Auseinandersetzungen zwischen den o.a. Vertragsparteien dauerte 14 Jahre. Die Dörfer fühlten sich duch die Stadt Münder sehr benachteiligt, da sie durch die Teilung überwiegend Hanglagen erhielten, die sich für die Nutzung sehr nachteilig auswirkten. Es gab sicher hier längere Streitgespräche, vielleicht auch Handgreiflichkeiten vor Ort?

Die Pressemitteilung über wilde Prügeleien dürfte eher aus der Neuzeit stammen, als sich von beiden Seiten des Süntels bei Veranstaltungen wie 'Vatertag' eher jüngere Männer begegneten, um ihre Kräfte zu messen.

Das Bakeder Wappen zeigt eine Axt. Die Abbildung weist eher eine Axt zum kämpfen als zum Holz spalten auf. Überlieferungen von Familienwappen oder örtlichen Adelsgeschlechten sind nicht bekannt. In Verbindung mit den oben geannten Deutungsmöglichkeiten des Flurnamens kann durchaus ein Schluss auf das Wappen gezogen werden, die Streitaxt. 1969 wurde das Wappen mit der Streitaxt offiziell in die Gemeindesatzung ausgewiesen.
Gerd Bogorinsky / Bakede